Quereinstieg: wer meldet sich freiwillig?
- Rigotti Karin

- vor 6 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
Das Projekt "Klasse Job" ermöglicht es all jenen Menschen aus der Privatwirtschaft, den Lehrberuf zu ergreifen, wenn sie sich berufen fühlen, die Voraussetzungen erfüllen und zudem bereit sind, zusätzliche Herausforderungen zum Unterrichten auf sich zu nehmen.

Die Voraussetzungen sind nachlesbar - bitte tragen Sie gerne dazu bei, schnöde Vorurteile aufzuräumen.
Zu den im Neuberuf zusätzlichen Herausforderungen zählen: Arbeitsbeginn mit noch unklarer Einkommens- und Vertragssituation, oft wirtschaftliche Einbußen auch nach der Anrechnungszeit der Vordienstzeiten, und immer die nebenberufliche Absolvierung eines Hochschullehrgangs, der angepasst an die zertifizierten Fächer die pädagogische Kompetenz optimieren hilft. Das alles muss man akzeptieren können und vor allem den Hochschullehrgang auch absolvieren wollen: der neue Alltag erinnert an die Studienzeiten. Man weiß nicht wirklich, wie hoch das Einkommen sein wird und die Work-Life-Balance wird neu kalibriert zwischen Familie, Beruf und Hochschule.
Der Zustrom zum gesellschaftlich wenig geschätzten Berufsbild war trotzdem so groß, dass nun eine neue Regelung gilt: nur noch 500 Plätze werden pro Jahr vom Bildungsministerium vergeben. Bisher gab es weder Begrenzungen für Zertifizierungen, noch war das Bewerbungsfenster zeitlich begrenzt.
Ein Fazit aus der ersten Zeit der Bewerbungsmöglichkeit: weniger als ein Drittel der Zertifizierten arbeitet tatsächlich als Unterrichtende:r. Viele sehen die Zertifizierung zur Lehre auch als Erweiterung des Kompetenzprofils oder als zukünftige Option. Der Rechnungshof empfahl somit eine Optimierung, die auch sehr zeitnah umgesetzt wurde und sich in den neuen Einschränkungen widerspiegelt.
Die Personalsituation an Österreichs Schulen zeigt sich herausfordernd: mit den circa 5000 Quereinsteiger:innen untrrichten in Österreich circa 6% der insgesamt 120000 Lehrenden "ohne klassische Lehrausbildung", also Lehramtsstudierende, die bereits vor Abschluss des Studiums zu unterrichten beginnen. Diese Zahlen nennt die aktuelle OECD-Studie.
Ist das gut fürs System? Ja!
Quereinsteiger:innen entscheiden sich nach Studium und Berufserfahrung in der Privatwirtschaft sehr bewusst für das System Schule. Nicht alle Bewerber bestehen den Selektionsprozess und die, welche ihre Eignung festgestellt bekommen, werden sowohl durch individuelles Mentoring als auch durch die Hochschullehrgänge gestützt. Die Qualität gilt hier also als gesichert. Außerdem handelt es sich in dieser Zielgruppe um Menschen, die sich als sehr flexibel, bildungsfreudig und hoch motiviert bezeichnen.
Die Motivationen für den Umstieg aus dem Stammberuf sind vielfältig, alle intrinsisch: manche ließen sich von den ministerialen Prognosen abschrecken und sehen jetzt eine Chance, frühere Bildungsentscheidungen zu revidieren (Wer erinnert sich an das Schreiben an Österreichs Maturanten: "Es gibt zu viele Lehrer!").
Andere haben in ihrer beruflichen Laufbahn die Liebe zur Wissensvermittlung entdeckt und freuen sich, Fachkompetenz gepaart mit Lebenserfahrung weitergeben zu dürfen.
Weitere Quereinsteiger:innen berichten von der schönen Befriedigung, täglich und hautnah erleben zu dürfen, was ihr Unterricht bewirkt.
Wer mehr Einblicke in die Motivationen für den Umstieg möchte, findet hier die wichtigsten aktuellen Untersuchungen zum Thema bereitgestellt.
Kurz: flexible, lebenslang lernende Menschen mit nachgewiesener Praxis aus der Wirtschaft treten als Akademiker:innen hochmotiviert in den Lebensraum Schule ein und freuen sich auf Ihre Kinder, auf das Unterrichten und auf das zeitnahe Feedback der Schülerschaft. Gut? Absolut.
Wer allerdings meint, dass die verlinkten Untersuchungen nicht die Realität abzeichnen, dass der Umstieg rein aus finanziellen Motiven vollzogen wurde - dem empfehle ich eine kurze Recherche zum Thema Burnout-Prävalenz unter Lehrer:innen in Österreich. Auch diese wurden von Quereinsteiger:innen zu hoher Wahrscheinlichkeit vor dem Berufswechsel zur Kenntnis genommen.
Lassen Sie mich noch festhalten:
wer aus der Privatwirtschaft kommt und nicht in der Lebenswelt bleiben möchte (aus welchen Gründen auch immer), der kennt seine Optionen und sein Kompetenzprofil sehr genau und ist somit schneller wieder weg, als Sie eine der aktuellsten Prävalenz-Studien zusammenfassen können.
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